Önder Balkaya

Warum ich der SPD Ukraine-Resolution nicht zugestimmt habe!

Aufgrund mehrerer Anfragen, warum ich bei der Integrationsratssitzung vom 24.03.2022 und dem am Tag der Ratssitzung veränderten SPD Ukraine Resolution nicht zugestimmt habe, möchte ich hier gerne Stellung nehmen.

Am 16.03.2022 sind alle Integrationsratsmitglieder vom Fraktionsvorsitzenden der SPD per Mail angeschrieben und eingeladen, worden der SPD Ukraine Resolution im Vorfeld beizutreten.

Als Vorsitzender des Integrationsrates habe ich die SPD Ukraine Resolution als TOP 7.3 in die Sitzung des Integrationsrates am 21.03.2022 aufgenommen.

Die SPD Ukraine Resolution, über die der Integrationsrat abgestimmt habt, könnt ihr vollständig weiter unten lesen, oder euch hier als PDF downloaden. Resolution_Ukraine-Hilfe_20220316.pdf.

Hier könnt ihr die Resolution des Rates und des Integrationsrates der Stadt Leichlingen der am 07.04.2022 vom Rat einstimmig verabschiedet worden ist, lesen. Ich bin mir sicher, dass auch ihr sehen werdet, das hierzu ein riesiger Unterschied besteht.

https://www.leichlingenmagazin.de/2022/04/08/leichlinger-rat-verabschiedet-resolution/

Bei der Integrationsratssitzung am 21.03.2022 habe ich mitgeteilt, warum ich als Mensch mit Migrationshintergrund und als Vorsitzender des Integrationsrates der Ukraine-Resolution der SPD nicht zustimmen kann.

Es ist hier vor allem als Integrationsratsmitglied wichtig, die Sicht der Betroffenen einzunehmen und zu versuchen, so gut man kann im Sinne der Geflüchteten und der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund zu entscheiden und ihre Stimme bestmöglich zu vertreten sowie dabei jede parteipolitische Sicht so gut es geht im Hintergrund bzw. nur zweitrangig zu betrachten.

Folgende für mich sehr wichtige Punkte haben in der Resolution komplett gefehlt:

Wer vor Krieg und Verfolgung flüchtet, verdient Hilfe und Unterstützung unabhängig von der Herkunft. Das gilt selbstverständlich für alle Menschen weltweit, die aus Kriegs- und Krisengebieten fliehen. Es darf keine geflüchteten Menschen erster oder zweiter Klasse geben. Ganz im Gegenteil müssen wir mit den neuen Möglichkeiten, die jetzt auf einmal in Deutschland möglich sind, eine Verbesserung für alle Geflüchteten schaffen.

Es ist mir sehr wichtig, dass die Resolution beinhaltet, dass Kinder schnellstmöglich die Schule besuchen dürfen und Kinder im Kitaalter betreut werden.

Wichtig ist mir auch, dass wir uns den Menschen solidarisch gegenüber zeigen, die in Russland und in Deutschland vor allem auch mit russischer Herkunft, den von Putin entfachten Krieg ablehnen.

Ebenso gilt unser Dank und Lob den zahlreichen privaten Hilfsangeboten und Unterstützungen der Leichlinger Bürger*innen.

So haben wir Ehrenamtler bereits die erste Deutsch-Sprachhilfe von montags bis freitags von 10-11 und 11-12 Uhr mit jeweils über 10 Teilnehmen ins Leben gerufen. Danke vor allem an die Ehrenamtlichen Sprachhelfer, der AWO und dem Bürgermeister.

Eine Resolution muss den geflüchteten Menschen helfen, Brücken zu bauen und die Integration zu stärken, was in der von der SPD vorgelegten Resolution komplett fehlt.

Gerne füge ich hier noch einmal meine Gründe auf, die mir keine andere Möglichkeit gelassen haben, als gegen den Antrag der SPD zu stimmen.

 

  1. Die SPD spricht von einer „kriegerischen Aktion Russlands gegen die Ukraine“.

    Wichtig war es mir zu sagen, dass es ein völkerrechtswidriger Krieg der russischen Regierung ist und nicht der russischen Bevölkerung.

    Vor allem darf sich die Wut der Menschen (mit und ohne internationale) Familiengeschichte keinesfalls gegen Menschen mit russischen Wurzeln richten, die in Deutschland leben und keinerlei Verantwortung für den Angriffskrieg der russischen Regierung tragen! Viele russischstämmige Menschen verurteilen den Krieg und demonstrieren Seite an Seite mit Ukrainerinnen und Ukrainern für das sofortige Ende des Angriffes.

    Bedauerlicherweise erreichen mich immer mehr Meldungen von Menschen russischer Herkunft, die offen angefeindet werden. Besonders fassungslos machen mich dabei Berichte über Angriffe auf Kinder. Keinesfalls dürfen Feindbilder geschaffen und Menschen aufgrund ihrer Herkunft zum Sündenbock und zur Zielscheibe gemacht werden! Hier tragen Politik und Medien, aber auch wir alle die Verantwortung.

  2. Die SPD schreibt, dass „dringend von eigenen oder fremdorganisierten Fahrten an die ukrainische Grenze mit dem Ziel, selbstständig Flüchtlinge aufzunehmen und in den Kreis zu transportieren, Abstand genommen werden“ soll.

    Aber der Integrationsrat kann doch nicht allen Ernstes zustimmen, dass keine eigenen Fahrten organisiert werden dürfen!

    Ich habe in Leichlingen Menschen mit ukrainischer Herkunft kennengelernt, die bereits seit vielen Jahren hier wohnen und arbeiten. Es ist doch selbstverständlich, dass diese Menschen ihre Familienangehörige (z.B. Mütter und Schwester) nach Leichlingen zu sich nach Hause holen und in Sicherheit wissen wollen.

    Somit erachte ich es als wichtig, dass eigene Fahrten genehmigt werden, um z.B. seine Schwester oder Mutter abzuholen. Natürlich sollte die Verwaltung darüber informiert werden.

    Es darf nicht sein, dass die Resolution besagt, dass ein Sohn, Tochter oder Verwandte, nicht in die Ukraine oder an die ukrainische Grenze fahren darf, um seine Familienangehörige wie z.B. Mutter, Vater oder Geschwister abzuholen. Sondern stattdessen abwarten muss, bis nach (aktuelle Lage) wochenlanger Unterbringung in Sammelunterkünften mit kaum Privatsphäre, irgendwann von staatlichen Stellen bestimmt wird, dass vielleicht eine Fahrt nach Leichlingen erfolgt.

    Gleiches gilt auch für Freunde und Bekannte.

    Nach der Flutkatastrophe in Leichlingen hatten viele Menschen kein eigene Bleibe mehr und eine Übernachtungsmöglichkeit bei der Familie, Freunden oder Bekannten gefunden. Nun stellen Sie sich mal vor, dieses von der Flut betroffenen müssten erst einmal in einer Sporthalle übernachten und warten bis die Verwaltung, für die Betroffenen eine Unterkunft organisiert hat.

    Oder aber Ihre Mutter wohnt in Berlin oder Köln und braucht aus Altersgründen Ihre Unterstützung, aber Sie dürfen weder eigene Fahrt organisieren noch einfach mit dem Zug oder Auto losfahren, um Ihre bedürftige Mutter abzuholen, sondern abwarten, bis der Staat die Fahrt organisiert.

    Hier würde ich mir ein Vorgehen wie in Solingen wünschen, wo Fahrten über die Tochtergesellschaft Die Stadtwerke Solingen organisiert wurden.

  3. Die SPD schreibt „in den Kreis zu transportieren“

    Menschen werden nicht transportiert. Transportiert werden Tiere oder Sachen. Geflüchtete Menschen werden mit dem Bus gefahren, mit dem Flugzeug geflogen, aber nicht transportiert.

  4. Die SPD schreibt „Sachspenden für Geflüchtete in der Kriegs- und Krisenregion sind nach übereinstimmender Einschätzung aller relevanter Akteure derzeit nicht erforderlich. Die primären Zielstaaten der Geflüchteten und deren zivilgesellschaftliche Akteure kommen derzeit augenscheinlich ausreichend für die Versorgung auf. “

    Das stimmte damals nicht und stimmt auch heute nicht.

    Ich stehe mit vielen Ehrenamtlern in Kontakt und höre genau das Gegenteil.

    Es ist wichtiger denn je, bedarfsorientierte Spenden zu organisieren. So organisiert die Stadt Burscheid mit aktiver Unterstützung der Verwaltung regelmäßige Sachspenden, die direkt an die Grenze gefahren werden.

    Auch häufen sich immer mehr Spendenanfragen von Krankenhäusern und Sammelunterkünften . Aktuell werden z.B. in Polen Lebensmittel benötigt.

  5. Die SPD schreibt „Der Rat der Stadt erwartet eine regelmäßige Information “

    Hier ist es mir sehr wichtig, dass auch der Integrationsrat regelmäßig darüber informiert wird. Ich stehe in regen Kontakt mit Geflüchteten.

  6. Die SPD schreibt „Wir bitten alle Hauseigentümer und Wohnungsgesellschaften in Leichlingen zu prüfen, ob sie Wohnraum zur Verfügung stellen können. „

    Warum nicht die Wohnungseigentümer oder Privatleute fragen? Das hat die Stadt bereits vor Wochen öffentlich getan.

    Sicherlich ist eine dauerhafte Unterkunft in einer eigenen Wohnung für jeden Geflüchteten wichtig, aber aktuell nicht wirklich durchführbar. Daher hat die Stadt Leichlingen bereits Privatpersonen über Zeitung und Internet angefragt.

Bei einer Resolution geht es um den Inhalt und nicht wer als erstes die Idee hatte und in der Zeitung steht.

Es geht um die schutzsuchenden Menschen, die unsere Hilfe brauchen! Aber das wird in dieser Resolution kaum behandelt.

Ein Schnellschuss mit parteipolitischen Formulierungen wird der Thematik absolut nicht gerecht.

Ein Tag später am 22.03.2022 bei der Ratssitzung, hat die SPD eine etwas veränderte Ukraine-Resolution vorgelegt, die auch von sieben ausgewählten Integrationsratsmitglieder unterschrieben wurde. Ich wurde zu keinem Zeitpunkt gefragt, ob ich bereit wäre diese zu unterschreiben. Auch wurde ich nicht über die veränderte Resolution informiert.

 

 

SPD Ukraine-Resolution

Der Rat der Stadt Leichlingen verurteilt die kriegerische Aktion Russlands gegen die Ukraine, fordert die Beendigung aller Kampfhandlungen und bekräftigt das Recht auf die Unverletzlichkeit und Souveränität der Ukraine und der dort lebenden Menschen.

Wer vor Krieg und Verfolgung flüchtet, verdient Hilfe und Unterstützung. Deshalb begrüßen wir Soforthilfe-Maßnahmen in Deutschland, Nordrhein-Westfalen und auch in Leichlingen. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass den Menschen dort geholfen werden kann, wo sie aufgenommen werden, wo ihnen eine Heimat für die Zeit geboten wird, in der sie Schutz suchen und sich eine Zukunft aufbauen können.

➢ Wir fordern deshalb die Stadtverwaltung auf, gemeinsam mit dem Kreis und dem Land geeignete Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, um den in Leichlingen ankommenden Menschen die notwendige Hilfe gewähren zu können.

➢ Wir bitten alle Hauseigentümer und Wohnungsgesellschaften in Leichlingen zu prüfen, ob sie Wohnraum zur Verfügung stellen können.

➢ Damit Hilfsangebote zielgerichtet und bedarfsorientiert gesteuert werden können, sollte dringend von eigenen oder fremdorganisierten Fahrten an die ukrainische Grenze mit dem Ziel, selbstständig Flüchtlinge aufzunehmen und in den Kreis zu transportieren, Abstand genommen werden. Ankommende Flüchtlinge sollten durch staatliche Stellen oder etablierte Hilfsorganisationen ordentlich in Empfang genommen und registriert werden.

➢ Der Rat der Stadt erwartet eine regelmäßige Information über die aktuelle Versorgungssicherheit hinsichtlich der Unterkunftssituation und der Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten und Schulen. Vor der Einrichtung von Sammelunterkünften ist eine Sondersitzung einzuberufen.

➢ Der Rat der Stadt Leichlingen erwartet von der Stadtverwaltung eine Koordination der Arbeit des Ökumenischen Arbeitskreises, des Integrationsrates, des GLobolus, des DRK, der Tafel und weiterer institutioneller oder privater Organisationen.

➢ Der Rat der Stadt Leichlingen erklärt sich mit allen Menschen solidarisch, die kriegerisches Handeln als Mittel der Politik ablehnen. Konflikte müssen am Verhandlungstisch mit Mitteln der Diplomatie gelöst werden.

➢ Sachspenden für Geflüchtete in der Kriegs- und Krisenregion sind nach übereinstimmender Einschätzung aller relevanter Akteure derzeit nicht erforderlich. Die primären Zielstaaten der Geflüchteten und deren zivilgesellschaftliche Akteure kommen derzeit augenscheinlich ausreichend für die Versorgung auf. Wer Geld spenden möchte, sollte dies über die bekannten Spendenkonten der Hilfsorganisationen tun.

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